Emotionen in Zeiten des Klimawandels

Was biblische Texte zu Saat und Ernte uns dazu weitergeben können

Biblische Texte zu den Themen von Saat, Wachstum und Ernte begegnen in kirchlichen Kontexten besonders zum Erntedankfest im Herbst, wenn auf die Ernte des Jahres zurückgeblickt werden kann. Doch aufgrund des fortschreitenden Klimawandels, dessen Auswirkungen und den damit verbundenen emotionalen Belastungen können diese biblischen Texte ganzjährig wichtige Impulse bieten. In den biblischen Texten finden sich im Zusammenhang mit der Ernte emotionale Extreme. Heute konfrontiert uns der Klimawandel mit enormen emotionalen Belastungen. Besonders junge Menschen leiden zunehmend unter der sogenannten „Klimaangst“ und Extremwetterereignisse stellen Menschen vor direkte psychische Herausforderungen. Was können wir dazu den biblischen Texten zu Saat und Ernte entnehmen?

Angewiesen-Sein wahrnehmen
Die biblischen Texte führen gute klimatische Bedingungen und eine reiche Ernte auf das segensreiche Handelns Gottes zurück. Die alttestamentlichen Erntefeste sind mit Freude und Fröhlichkeit verbunden. Auch zur Ernte und zur Weinlese treffen wir bei der Lektüre auf Jauchzen, Jubel und Freude (Jes 9,2). Dass biblische Texte die Ernte mit positiven Emotionen verbinden, ermutigt uns auch heute gute (Ernte-)Zeiten fröhlich und dankbar zu begehen. Zugleich zeigt sich aber – auch mit der Rückführung der guten Ernte auf den göttlichen Segen – ein Wissen über eine (über-)lebenswichtige Abhängigkeit der Menschen von etwas, das sie nicht vollkommen selbst beeinflussen und kontrollieren können. Mit ihren zum Teil sehr schlichten Bildern vermitteln uns die biblischen Texte zudem einen unmittelbaren Zugang zur Natur und Landwirtschaft, der in den letzten Jahrzehnten in großen Teilen unserer Gesellschaft verloren gegangen ist. Aktuell lässt sich hier eine Trendwende erkennen, bei der auch die Auseinandersetzung mit den biblischen Texten zu Saat, Wachstum und Ernte im Gottesdienst, in den Gemeindeaktivitäten oder im Religionsunterricht unterstützend wirksam sein können.

Negative Emotionen zur Sprache bringen
Neben der Freude aufgrund guten Ernte bringen die biblischen Texte in eindrücklichen Bildern menschliches Leid angesichts von Missernten und feindlicher Zerstörung der Aussaat zum Ausdruck (Joel 1,11). Für heutige Leser:innen, die mittlerweile selbst im globalen Norden häufiger mit Dürren und Nachrichten zur Nahrungsmittelknappheit konfrontiert werden, ergibt sich zunehmend ein persönlicher Zugang zu diesen alten Texten. In einer Zeit multipler Krisen kann es zudem heilsam sein, sich von den biblischen Autor:innen dazu inspirieren zu lassen, auch negative Emotionen auszudrücken. Die biblischen Texte können somit auch als Impulsgeber dienen, unsere Ängste angesichts der Klimakrise in Worte zu fassen. Einige biblische Texte führen zudem eine Missernte auf den göttlichen Zorn zurück (Dtn 11,16-17). Obwohl diese Deutung in heutiger Zeit eventuell fremd anmutet, ist es durchaus bedenkenswert, angesichts von Katastrophen nach den Hintergründen im menschlichen Verhalten zu fragen.

Handeln aus Hoffnung
Neben den beiden emotionalen Extremen von Freude und Trauer treffen wir in den biblischen Texten zu Saat und Ernte noch auf ein weiteres Phänomen: Aufforderungen zur Selbstentlastung der Menschen, die eine gewisse Zuversicht mit sich bringen. So ist das menschliche Zutun zum Wachstumsprozess in den neutestamentlichen Parabeln, die Naturvorgänge aufnehmen um die Königsherrschaft Gottes zu verdeutlichen, äußerst gering. Zum Beispiel bringt in der Parabel von der selbstwachsenden Saat der Ackerboden selbstständig die Frucht hervor; der Mensch sät und erntet lediglich (Mk 4,26-29). Zugleich vermitteln die biblischen Texte auch eine Fürsorge Gottes für die Menschen wie im Spruch über die Vögeln, die weder säen noch ernten (Mt 6,26 / Lk 12,24). Dies bedeutet nicht, angesichts des Klimawandels die Hände in den Schoß zu legen – im Gegenteil! Indem die eigene Position und Verantwortung neu entdeckt wird, kann dies zu neuer Hoffnung ermutigen und zum Handeln motivieren.

Die obigen Überlegungen werden in einem wissenschaftlichen Artikel von Dr. Eva-Maria Gummelt mit dem Titel „Biblische Texte zu Saat und Ernte und Emotionen in Zeiten des Klimawandels“ (im Druck) ausgeführt. Zudem können Sie gern eine Anfrage für einen Vortrag zum Thema an eva-maria.gummelt@akademie.ekir.de stellen.

  • 14.9.2023
  • Studienleiterin Dr. Eva-Maria Gummelt
  • Red