Landwirtschaftlicher Hoffnungsort

Bericht von Stefan Endres

Welche Bilder prägen heute die Vorstellung von Landwirtschaft – und wie könnten sie alternativ aussehen? Ein Besuch auf dem Demeterhof Breit bei Wittlich zeigt, wie bäuerliches Wirtschaften im Einklang von Mensch, Tier und Natur möglich ist.

Die Reihe „Wirtschaft – für wen?“ von vier kirchlichen Kooperationspartnern rückt in diesem Jahr das Thema Landwirtschaft und Lebensmittelproduktion in den Fokus. Nach einer Auftaktveranstaltung im Februar, die sich mit den europäischen Rahmenbedingungen der Landwirtschaft beschäftigt hat, stand im Mai unter der Überschrift „Landwirtschaft konkret“ ein Hofbesuch auf dem Programm. Mit dem Hof Breit am Stadtrand von Wittlich fiel die Wahl auf einen Betrieb, der mit seiner biologisch-dynamischen Bewirtschaftung, dem ganzheitlichen Konzept, seinem Trägerverein und seiner Selbstvermarktung eher untypisch ist. Mit seiner Ausrichtung und Philosophie stellt der gemischte Betrieb einen Gegenentwurf zur industriellen Agrarwirtschaft darDas Logo des Jahresprojekts "Zukunft denken - #22PLUSX

Dirk Brandsma, Sohn des Begründer- und Pächter-Ehepaares Paul und Eugenie Brandsma, erläuterte bei einem geführten Rundgang mit den Teilnehmerinnen und Teilnehmern das zentrale Prinzip des „geschlossenen Betriebskreislaufs“. Das Futter für die Tiere stammt fast ausschließlich vom eigenen Grünland, die Rohmilch der über 20 Weidekühe wird in der eigenen Käserei zu Käse und Quark verarbeitet, der strohreiche Stallmist wird auf die Felder und Wiesen gebracht und die Molke aus der Käseproduktion an die Schweine und anderen Tiere verfüttert. Damit dieses beispielhafte Ineinandergreifen funktioniere, müssten Anzahl und Art der Tiere mit der Fläche des Hofs korrespondieren, erläuterte der Öko-Landwirtschaftsmeister Brandsma das Gleichgewichtssystem auf Basis der sogenannten flächengebundenen Tierhaltung. Neben den Milchkühen, um die herum der Hof seit dem Jahr 1990 in seiner Vielfalt gewachsen sei, prägen Schweine, Hühner und Schafe das weitläufige, aber idyllische Hofgelände, zu dem 75 Hektar Acker- und Grünland gehören. Etwa 660 Legehennen gackern und picken neben drei mobilen Hühnerställen. Die Bullenkälber gehen nicht in einen fremden Mastbetrieb, sondern bleiben auf dem Hof, bis ein regionaler Metzger sie schlachtet.

Stefanie Koch (Zweite von links) führt die Teilnehmerinnen und Teilnehmer durch die „solidarische Landwirtschaft“. Foto: Stefan Endres
Stefanie Koch (Zweite von links) führt die Teilnehmerinnen und Teilnehmer durch die „solidarische Landwirtschaft“.

Als Deutschlands bester Bio-Hofladen ausgezeichnet

Ihr Fleisch wird im eigenen Hofladen vermarktet, den die Leser der Zeitschrift „Schrot und Korn“ bereits vor fünf Jahren zu Deutschlands bestem Bio-Hofladen wählten. Zu seinen Produkten gehören insbesondere die eigenen Hoferzeugnisse, darunter Käse und Quark, Eier, Apfelsaft, Kartoffeln und Getreide, Wurst, Honig und das selbsterzeugte Gemüse. Letzteres entsteht über die Arbeitsweise der „solidarischen Landwirtschaft“, die „SoLaWi“. Unter der Leitung der Gartenprofis Hannah aufm Kampe und Marius Braun bauen viele fleißige Hände das Gemüse an, ernten es gemeinschaftlich und teilen es. 60 Ernte-Anteile sind derzeit verkauft und werden wöchentlich abgeholt, der Rest geht in den Laden. „Das System funktioniert erstaunlich gut“, erzählt Stefanie Koch beim Rundgang durch die SoLaWi und den benachbarten Sorten-Vielfaltsgarten, in dem Annette Fehrholz aus Bengel Saatgut gewinnt.

Ganz neu angelegt ist ein Teich, um das darin gesammelte Oberflächenwasser nutzen zu können. Foto: Stefan Endres
Ganz neu angelegt ist ein Teich, um das darin gesammelte Oberflächenwasser nutzen zu können.

Koch ist Mitglied des „Initiativkreises“ des Vereins Hof Breit, der vor über 30 Jahren den Hof mit dem Ziel einer biologisch-dynamischen Bewirtschaftung kaufte und ihn an die Brandsmas verpachtete. Dem Verein gehören die Hofgebäude und ein Teil der bewirtschafteten Fläche. Ihm sei auch der Bildungsaspekt des Bio-Hofs, der als „Lernort Bauernhof“ anerkannt ist, sehr wichtig, erläuterte Koch. Schulkinder würden zum Beispiel beim Hühnerfüttern helfen und Eier in den mobilen Ställen sammeln. „Das sind für die Kinder Erfahrungen, an die sie sich lange erinnern. Sie sehen auf dem Hof außerdem, wie alles miteinander verbunden ist und zusammenhängt“, erläutert Koch ein Ziel des Vereins, das auch für Erwachsene wichtig sei.  Der Initiativkreis greift aktuelle landwirtschaftliche Themen auf und will das Bewusstsein in Bezug auf Landwirtschaft und Ernährung sowie ein ökologisches Denken und Handeln fördern. Mit regelmäßigen und besonderen Veranstaltungen bringt er Landwirtschaft und Verbraucher zusammen, organisiert Vorträge, Baumschnitt-Kurse, Kräuterwanderungen oder Hofführungen. „Hier zu sein tut vielen Menschen gut“, beobachtet Koch.

Teilnehmer Johannes Knödgen aus dem Raum Bitburg, dessen Eltern einen kleinen landwirtschaftlichen Betrieb hatten, stellt die vorherrschende konventionelle Hofbewirtschaftung mit dem hohen Kapitaleinsatz, den Risiken, den politischen Rahmenbedingungen und den oft zu niedrigen Preisen in Frage. „Das macht keinen Spaß“, findet er und beobachtet, dass das Problembewusstsein hinsichtlich auskömmlicher Preise, Regionalität und alternativer Bewirtschaftung bei der jüngeren Generation steige. Christian Krebs aus Konz arbeitet selbständig in der Pflege von Gärten, Bäumen und von Naturschutzgebieten und nutzt den Hofbesuch als „Fortbildungsveranstaltung im grünen Bereich“. Kritisch beobachtet er in der Gartenpflege, wie sich die privaten Hausgärten im Laufe der Zeit von vielfältigen Nutzgärten wegentwickelt hätten.

Etwa 660 Legehennen in drei Hühnermobilen ergänzen das Tierleben auf dem Hof. Foto: Stefan Endres
Etwa 660 Legehennen in drei Hühnermobilen ergänzen das Tierleben auf dem Hof.

Auch Bio-Landwirtschaft muss sich weiterentwickeln

Barbara Schartz vom Themenschwerpunkt Schöpfung der Katholischen Erwachsenenbildung, die zu den Veranstaltern gehört und den Hofbesuch organisiert hat, sieht neben den Unterschieden zwischen ökologischer und konventioneller Landwirtschaft auch die Gemeinsamkeiten, etwa mit Blick auf Marktzwänge und betriebliche Preissteigerungen. Außerdem gebe es bei Betrieben aus beiden Produktionsweisen gute und schlechte Beispiele und manchmal auch fließende Übergänge. Und mitunter müsse auch der Biolandwirt Kompromisse eingehen, um das Wohl des Tieres nicht zu gefährden, ergänzte Brandsma mit Blick auf manchmal notwendige Futterzukäufe. Die zunehmenden Wetterextreme stellten auch den Bio-Betrieb vor Herausforderungen, die es erforderlich machten, die Bio-Landwirtschaft ständig weiterzuentwickeln. Der Hof, der nach den strengen Richtlinien des Bio-Anbauverbandes Demeter arbeitet, gehört zum Netzwerk „Demonstrationsbetriebe Ökologischer Landbau“. In seinem Zusammenspiel von Landwirtschaft, Tierhaltung, Gartenbau, Hofladen und Verein ist er „nicht nur Lernort für landwirtschaftliche Grundsatzfragen, sondern auch ein Hoffnungsort, an dem Alternativen bereits gelebt werden“, finden die Organisatoren des Hofbesuchs.

Gespräche und Stärkung: die Besucherinnen und Besucher bei hofeigenem Apfelsaft und Käse. Foto: Stefan Endres
Gespräche und Stärkung: die Besucherinnen und Besucher bei hofeigenem Apfelsaft und Käse.

Info

Die Reihe „Wirtschaft – für wen?“ mit dem Jahresthema Landwirtschaft ist eine Kooperation der Katholischen Erwachsenenbildung (KEB) Mittelmosel, der Themenschwerpunkte Schöpfung und Arbeit der KEB im Bistum Trier sowie der Evangelischen Akademie im Rheinland. Infos unter www.keb-arbeit.de/veranstaltungen/reihe-wirtschaft-fuer-wen.

Nächster Termin: 22. September, Kapuzinerkloster, Cochem, unter der Überschrift „Was macht uns satt? Gute Ernährung für alle – auskömmlich für die Landwirtschaft“.

Demeterhof Breit, Hinter der Breit, 54516 Wittlich, Telefon (0 65 71) 26 46 79 (Hofladen), www.demeterhofbreit.de.

 

Fotos: Stefan Endres